„It’s tea time“ - Tee steht für Genuss, Gesundheit und Kultur

Abgesehen vom Wasser ist Tee das begehrteste Getränk der Welt. Aber auch wenn man eine (ost-)friesische Tee-Nase ist - mit einem weltweit führenden Teeverbrauch von 300 Litern im Jahr - kommt es beim Tee nicht nur auf das Trinken an. Tee kann uns helfen, Alltag, Genuss und Achtsamkeit auf eine besondere Art zu verbinden und in einer hektischen Zeit Rituale der Ruhe zu gestalten. Tee ist etwas Besonderes, wenn es darum geht, das Hier und Jetzt mit allen Sinnen wahrzunehmen. Zwar gilt dies nicht für jeden x-beliebigen Beuteltee in mäßiger Qualität, dem viele Menschen, zu Recht nichts abgewinnen können. Die losen, aromatischen Blätter eines feinen Tees können jedoch - aufmerksam zubereitet - zu einem echten Wahrnehmungs- und Genusserlebnis werden.

„Guten Tee“, rät deshalb der Psychologe und Sozialwissenschaftler Frank Berzbach, „müssen Sie im Teeladen kaufen, weil Sie nur dort alle nötigen Informationen bekommen.“
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„Wenn Sie das Teekochen als Achtsamkeitsübung praktizieren wollen, dann halten Sie sich an die alte Regel der Teemeister: „Wasser kochen, Tee bereiten und ihn trinken. Nichts sonst.““

„Trinken wir also eine Tasse Tee“

Nur eine einzige Sache ganz konzentriert, aufmerksam und mit allen Sinnen zu tun, entspannt den Geist und lässt den Körper aufatmen. Das Geheimnis des Tees und der Kulturen, die sich weltweit rund um den Tee entwickelt haben, steckt sehr häufig in der Einfachheit, der Alltäglichkeit und gleichzeitigen Besonderheit einer Handlung, die das Leben auf das Wesentliche reduziert. Das Trinken von Tee ist geeignet, eine Zeit der Achtsamkeit und des Genießens in den ganz normalen Alltag zu bringen.

Selten hat jemand diese meditative Qualität des Teetrinkens so passend beschrieben wie Muriel Barbery in ihrem Roman „Die Eleganz des Igels“:

Trinken wir also eine Tasse Tee.
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Die Teezeremonie, diese präzise Erneuerung der gleichen Handgriffe und des gleichen genussvollen Kostens, dieser Zugang zu einfachen, authentischen und raffinierten Empfindungen, diese einem jedem gegebene Freiheit, für wenig Geld ein Aristokrat des Geschmacks zu werden - denn der Tee ist genauso das Getränk der Reichen wie das der Armen -, die Teezeremonie also hat die außergewöhnliche Macht, in die Absurdität unserer Leben eine Lichtung aus beschaulicher Harmonie zu zaubern. Ja, die Welt ist auf die Leere ausgerichtet, die verlorenen Seelen beweinen die Schönheit, die Bedeutungslosigkeit kreist uns ein. Trinken wir also eine Tasse Tee. Stille tritt ein, man hört den Wind draußen blasen, die Herbstblätter rascheln und fliegen davon, die Katze schläft in einem warmen Licht. Und in jedem Schluck verklärt sich die Zeit.“

Tee - geniessen und gesund bleiben

Tee ist also ein ausgesprochenes Genussgetränk und bietet uns die Möglichkeit, die Harmonie und Stille, die neben dem Chaos immer noch existiert, wiederzufinden. Gleichzeitig besitzt Tee aber auch ein hohes gesundheitsförderndes Potential. Aus ein und derselben Pflanze - Camellia sinensis, die ursprünglich nur in China beheimatet war - haben sich im Laufe der Jahrhunderte mehr als 500 verschiedene, weltweit angepflanzte Sorten entwickelt, von denen sechs Hauptteearten unterschieden werden: grüner Tee, weißer Tee, Oolong Tee, schwarzer Tee, Puh-Erh-Tee, gelber Tee. Linda Gaylard, Tee-Sommelière und Autorin aus Kanada, schreibt zur gesundheitlichen Wirkung in ihrem „Teebuch“:

„Tee steckt voller Antioxidantien und Wirkstoffe, wie Polyphenole, L-Theanin und Catechine, die das Immunsystem stärken. Grüne und weiße Tees haben die stärkste gesundheitsfördernde Wirkung, weil sie aus wenig bearbeiteten jungen Blättern hergestellt werden und sehr große Mengen an wertvollen Substanzen enthalten.“

Die Polyphenole im Tee neutralisieren die schädliche Wirkung freier Radikale und wirken deshalb schützend vor Krebs. Zusätzlich schützt Tee vor Herz-Kreislauf- und Gefäßerkrankungen und wirkt offenbar vorbeugend gegen degenerative Erkrankungen des Gehirns. Tee beugt Karies vor, entspannt den Geist durch L-Theanin und wirkt gegen beginnende Kopfschmerzen.

Die gesundheitlich wertvollen Substanzen bleiben vor allem in den losen Blatt-Tees erhalten. Die meisten in Beuteln verwendeten Tees verlieren im Herstellungsprozess an gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen, sowie an ätherischen Ölen und Aromen. Ausserdem enthalten die meisten Teebeutel geringe Mengen an Polypropylen, das zwar als gesundheitlich unbedenklich gilt, aber in der Umwelt nicht abbaubar ist.

„Zwar wird kaum jemand bestreiten, dass der Teebeutel eine praktische Erfindung ist, aber in Sachen Geschmack hat eindeutig der Blatt-Tee die Nase vorn.“

Lebensstil und Ritual

Wie Linda Gaylard aus eigener Erfahrung weiss, gibt es seit Jahren ein zunehmend wachsendes Interesse an einer guten Qualität des Tees und einen neuen Typ Teeliebhaber,

„..., der die Herkunftsländer seiner Tees bereist, Gebräuche studiert, mit Produzenten spricht und von seinen Reisen seltene Tees mitbringt, um sie mit Freunden zu teilen.“
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„Hinter dem Genussmittel Tee“, so stellt Gaylard fest, steckt viel mehr „als ein Teebeutel vermuten lässt, nämlich Geheimnisse, Reisen, Wirtschaft, Kultur und Zeremoniell - kurz: eine eigene Welt.“

Häufig steht eine spezielle Art von Tee für einen bestimmten Lebensstil und vermittelt bestimmte Werte. Aus dieser eigenen Welt hinter dem Tee entstehen auch kurios erscheinende Phänomene, wie das zunehmende Interesse wohlhabender Chinesen an der britischen Teekultur. Das englische Familienunternehmen Taylors of Harrogate, im Norden von England, verkauft seit über 12 Jahren Tee nach China - mit von Jahr zu Jahr steigendem Umsatz. Dabei produziert China selbst fast die Hälfte allen Tees, der auf der Welt gehandelt wird. Aber anstelle der eigenen Teetradition schätzen immer mehr Chinesen die importierten britischen Mischungen wie Earl Grey und ursprünglich aus Indien stammende Teesorten, wie die aromatischen Assam Tees.

Britischer Tee ist auch in China nicht nur ein Getränk, sondern steht für ein bestimmtes, als stilvoll empfundenes Lebensgefühl. Während der Teeverkauf in Großbritannien rückläufig ist, spricht das britische Lebensgefühl, die Tradition des „Afternoon-Tea“, in China immer mehr Menschen an.

Eine neue Teekultur bildet sich auch in Nordamerika und Kanada heraus. Verschiedene Tee Festivals, der Hot Tea Month im Januar, die World Tea Expo, zeugen hier vom lebhaften Interesse an der Welt des Tees. Seit 2016 wird auf der kanadischen Westholme Tea Farm sogar der erste in Kanada selbst angebaute Tee verkauft. Dazu verbreitet sich auch ein besonderes Interesse für die rituellen und sozialen Hintergründe verschiedener Teekulturen. Denn Tee steht immer auch für soziale Erfahrungen, die Menschen zusammenführen, wie die kanadische Kulturanthropologin Jean de Bernardi betont. De Bernardi erforscht die soziale Bedeutung von Nahrungsmitteln und die Zusammenhänge zwischen Teekultur und regionaler Identität in China. Im Ursprungsland des Tees hat sich eine besonders reiche Kultur um die Pflanze entwickelt; eine Kultur, die regionale Besonderheiten, darstellende Künste, Rituale und Handel umfasst, wie auch bei Gaylard nachzulesen ist.

„Mehr als 2000 Jahre lang wurde Tee ausschliesslich in China angebaut und getrunken. Dann gelangte er über die Seidenstraße und die Tee-Pferde-Straße auch in Regionen unmittelbar jenseits der Reichsgrenzen.“
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„Der Gelehrte Lu Yu schrieb in der Tang-Dynastie [618-907 n.u.Z.] das Chajing (das Buch vom Tee), in dem er Teeanbau, -ernte, und -zubereitung detailliert beschrieb. Das Buch war ein Meilenstein in der Geschichte des Tees und verankerte den Genuss fest in der chinesischen Kultur.“

Die chinesische Gongfu-Cha Zeremonie aus der Zeit des Chajing und der Tang-Dynastie ist die älteste bekannte Teezeremonie. Sie zelebriert die Zeit und den Aufwand, um eine gute Tasse Tee kunstvoll und sorgfältig zuzubereiten und achtsam zu geniessen. Auch die koreanischen und japanischen Teezeremonien haben sich auf der Grundlage dieses ursprünglichen Rituals entwickelt. Dabei blieben die Rituale zuerst den Mönchen und den Reichen vorbehalten. Buddhistische Mönche bauten den Tee selber an und nutzten ihn, um während der Meditation länger wach und präsent zu bleiben. Und auch reiche Kaufleute und Aristokraten konnten sich die teure, mit Steuern belegte Pflanze leisten.

Zum Alltagsgetränk für Jedermann, wurde der Tee jedoch erst viel später. Dabei spielte seine Verbreitung in Europa eine wichtige Rolle. Nach den Portugiesen (1610) und den Holländern (1619), gehörte Ostfriesland im 17. Jahrhundert zu den ersten europäischen Regionen, in denen man den Tee zu schätzen und regelmässig zu trinken begann. Die Engländer, die heute als Teetrinker par excellence gelten, entdeckten ihre Vorliebe für den Tee erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Und auch ihr Ritual des „Afternoon Tea“ hat sich erst seit den 1840er Jahren allgemein etabliert.

Gemeinsam ist allen, bis heute erhaltenen Ritualen rund um den Tee, dass sie mit Aufmerksamkeit zelebriert werden und ein Bewusstsein schaffen für die Verbindungen zwischen Gegenwart und Vergangenheit und für die Verbindungen zwischen den Menschen. Wie die Anthropologin de Bernardi betont, ist das Teilen von Nahrung und Getränken ein Vehikel für das kulturelle Gedächtnis von Gemeinschaften, das einen Sinn schafft für Zusammengehörigkeit und gemeinsame Werte.

In der modernen Teekultur entstehen Verbindungen jedoch auch über kulturelle Grenzen hinweg und ein Gefühl für Zusammengehörigkeit bildet sich über das Folgen von bestimmten Trends und das Entwickeln neuer Gewohnheiten. Moderne Interpretationen von Tee, wie die „Botanical Beverages“ (Aufgüsse von losen Tees mit aromatisch passenden Obst-, Nuss- und Gewürzsorten), stehen für einen urbanen, genussorientierten und gesundheitsbewussten Lebensstil, mit dem man sich zwar von bisherigen Traditionen absetzt, sich aber trotzdem der besonderen Bedeutung des Tees als Ausdruck eines bestimmten Lebensstils bewusst ist.♦

b.d.

Das Teebuch

Eine Fülle spannender Informationen rund um das Thema Tee bietet die Tee-Sommelière Linda Gaylard in ihrem "Teebuch". Von der Beschreibung der Teepflanze, über verschiedene Anbaugebiete und Sorten, bis zu den Tee-Zeremonien, wird der Leser mitgenommen auf eine Reise um die Welt. Viele Abbildungen illustrieren z.B. die Einflüsse des Klimas, die Anatomie oder die gesundheitlichen Wirkungen der Teepflanze. Übersichtliche Texte erläutern die Geschichte des Tees in den verschiedenen Anbaugebieten und die unterschiedlichen Rituale rund um den Tee. Auch den Kräutertees und ihren Wirkungen ist ein eigener Bereich gewidmet. Abgerundet wird das Buch mit einem umfassenden Rezeptteil, der sich interessanten neuen Getränkevariationen widmet.

Linda Gaylard - Das Teebuch. Sorten, Anbaugebiete, Rituale und Rezepte aus aller Welt. Dorling Kindersley Vlg., München, 2015

Nur eine einzige Sache ganz konzentriert, aufmerksam und mit allen Sinnen zu tun, entspannt den Geist und lässt den Körper aufatmen.


Die Polyphenole im Tee neutralisieren die schädliche Wirkung freier Radikale und wirken deshalb schützend vor Krebs. Zusätzlich schützt Tee vor Herz-Kreislauf- und Gefäßerkrankungen und wirkt offenbar vorbeugend gegen degenerative Erkrankungen des Gehirns. Tee beugt Karies vor, entspannt den Geist durch L-Theanin und wirkt gegen beginnende Kopfschmerzen.


Häufig steht eine spezielle Art von Tee für einen bestimmten Lebensstil und vermittelt bestimmte Werte.



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